"Des Daseins eigentlichen Anfang macht die Schrift", die Inschrift einer griechischen Wachstafel, einem frühen Schreibgerät in den Ländern des Mittelmeeres, bestätigte zwei Jahrtausende später ihren bewahrenden Sinn an Rudolf Koch. Er wurde am 20. November 1876 zu Nürnberg als Sohn des Bildhauers Paul Koch geboren und in Leipzig in die Welt des Buches eingeführt, der sein ganzes Leben geweiht blieb. In Offenbach am Main, seiner Wahlheimat, saß er wie ein mittelalterlicher Mönch in der Klosterzelle beim Schreiben des Buches aller Bücher, der Bibel. Schon die erste der zahlreichen Schriften, die Rudolf Koch in Offenbach für die Schriftgießerei Gebr. Klingspor schrieb und die als Druckschrift 1908 herauskam, die Kochschrift, eine "deutsche Schrift", wie sie auch genannt wurde, war so sehr im Geist unserer großen Schreibmeister der Vergangenheit empfunden, daß sie sich wie keine zuvor seit langer Zeit zu einem Bibeldruck eignete. So hat sie denn schon zwei Jahre danach der bekannte Verleger Eugen Diederichs in Jena für ein Evangelienbuch gewählt. Rudolf Koch lehnte "zu viel Kunst" ab, mit der die in jenen Jahren von Otto Eckmann, Peter Behrens und Otto Hupp geschaffenen Schriften noch behaftet waren, wenngleich auch sie zur Reform der deutschen Schrift- und Buchkunst geigetragen haben. Die Kochschrift dagegen ergibt mit ihren einfachen, herben Federzügen ein kraftvolles, in sich geschlossenes Satzbild.
In fast dreißigjähriger schöpferischer Arbeit ging aus Rudolf Kochs Händen eine Fülle neuer gotischer, Fraktur-, Kanzlei-, aber auch Antiqua- und Kursivschriften hervor. Das Erbe der alten Bibellettern, das uns in vielen dieser Schriften begegnet - wir nennen noch die Peter-Jessen-Schrift -, wurde von Rudolf Koch auch in seiner der alten Rundgotisch nachgestalteten Wallauschrift zu neuem Leben erweckt. Nicht das geringste Verdienst von Rudolf Koch ist die Gründung einer Schreiberwerkstatt, in der auch der Holz- und Bleischnitt, das Sticken und Weben, die Herstellung von Metallgerät und Schnitzwerk gepflegt wurden. Und alles dies stellte Rudolf Koch in den Dienst am Wort, der Verkündigung und Verherrlichung der Kirche und ihres Herrn. "Wir sind Schriftzeichner, Stempelschneider, Holzschneider, Schriftgießer, Setzer, Drucker und Buchbinder aus Überzeugung und aus Leidenschaft, nicht etwa, weil unsere Begabung zu dürftig wäre für andere, höhere Dinge, sondern weil für uns die höchsten Dinge in engster Beziehung dazu stehen", so bekannte sich der Meister in dem kleinen Büchlein "Die Freude am Werk" zu seinem göttlichen Auftrag.
Am 9. April 1934 nahm ihm der Tod die Schreibfeder aus der Hand. Im Klingspor-Museum zu Offenbach am Main kümmert sich die Mitarbeiterschaft des Museums um das Fortleben des Werkes des großen Künstlers.